Pfarrer Peischl seit 25 Jahren in der Notfallseelsorge aktiv

2019-12-14 Peischl 25 Jahre NFS
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Am 14.12. erschien dazu in der Wasserburger Zeitung ein Interview von Karlheinz Rieger:

 

Aus Liebe zu den Menschen

Seit 25 Jahren Notfallseelsorger: Pfarrer Peter Peischl ist da, wenn alles sinnlos scheint

Wasserburg – Es gibt Situationen, da braucht man einen Pfarrer, manchmal aber auch einen besonderen Seelsorger. Immer wieder, wenn es um die Betreuung von Angehörigen von Unfallopfern, Geschädigten bei Katastrophen oder Großschadenslagen geht, wird Peter Peischl (60) aktiv.
Seit 32 Jahren ist er nun schon als Pfarrer im Amt und 25 davon in der Notfallseelsorge aktiv. Nach Pfarrstellen in Würzburg, Schwarzenbach an der Saale und Vohenstrauß ist er seit zweieinhalb Jahren im Dekanat Rosenheim tätig. Im Rahmen des ökumenischen Rosenheimer Teams ist er sozusagen einer der Zuständigen für die „Erste Hilfe für die Seele“. Wir haben nachgefragt.

Wie kommt man zu einer solchen besonderen Aufgabe und wie schaut so ein Werdegang aus?

Vor 25 Jahren, als ich in Schwarzenbach war, fragte die Polizeidirektion Bayreuth, ob bei Unfällen und häuslichen Todesfällen nicht ein Teil der Betreuung der Familienmitglieder und Betroffenen von kirchlicher Seite übernommen werden könne. Im Dekanat wurde daraufhin diskutiert, wie das funktionieren könnte.

Da gab es ja noch keine Handys und Piepser, oder?

Stimmt, für die Benachrichtigung gab es ja keine Mobiltelefone und Piepser hatte man noch nicht auf dem Schirm. Man sagte aber zu und 1994 wurde ich offizieller Dekanatsbeauftragter für Münchberg und später für Weiden. 2016 war dann die halbe Projektstelle in Rosenheim ausgeschrieben. Nachdem die Kombination mit der anderen halben Stelle in Wasserburg möglich wurde, wechselte ich nach Oberbayern.

Man kann bei einer solchen Tätigkeit sicher nicht von ‚Job machen‘ sprechen. Wie läuft ein Einsatz normalerweise ab?

Die Einsatzkräfte vor Ort fordern Unterstützung an. Bei bestimmten Einsatzlagen erfolgt auch eine automatische Benachrichtigung. Dabei geht es dann meist um größere Einsätze, wenn Kinder betroffen sind oder bei Zugunfällen. Wichtig ist immer, dass wer kommt, wir von der ökumenischen Notfallseelsorge Rosenheim oder die KID’ler vom BRK. Die Benachrichtigung erfolgt über Piepser, beim Rückruf zur Leitstelle erfahren wir, was anliegt und erhalten Einsatzinformationen. Wenn alles normal läuft, schafft man die Anfahrt innerhalb einer Stunde. Danach erfolgt die Meldung beim Einsatzleiter und wir stellen fest: Was ist passiert, wer ist weiter zu betreuen?

Wie geht es weiter?

Bei den betroffenen Menschen geht es darum, was brauchen sie, damit sie überhaupt ihre nächsten Schritte gehen können und anderes mehr. Die Vermittlung weiterer Angebote kann natürlich dazukommen.

25 Jahre menschliches Leid, Trauer, Grenzerfahrungen – was macht das mit einem selbst?

Das Leben bekommt nochmal einen ganz anderen Wert, einen anderen Klang, eine andere Farbe. In Grenzsituationen wird deutlich, was wirklich zählt. Der Augenblick, hier, jetzt, heute zählt, nicht das Materielle. Das Leben an sich wird wichtig.

Professionalität ist die eine Seite, kann man nach Einsätzen einfach so zum Alltag übergehen?

Der Einsatzbericht schließt für mich das Ereignis meistens ab. Dann ist es normalerweise gut.

Und wenn nicht?

Manches geht gewaltig an die Nieren, wie zum Beispiel bei einem Wohnhausbrand mit drei toten Kindern vor Jahren. Nach der Aussegnung, der Betreuung von Einsatzkräften und dem Besuch der Mutter im Krankenhaus war es erst nach einer späteren Einsatznachbesprechung besser. Aber kann man solche Menschen in so einer Situation alleine lassen? Kirche ist für mich Kirche für die Welt. Der Beistand in Krisen gehört auch zu den kirchlichen Aufga ben. Das gilt grundsätzlich für alle Menschen, egal welche Hautfarbe, Einstellung oder Religion sie haben.

Hat sich die Art der Notfallseelsorge an Krisensituationen heranzugehenn den 25 Jahren verändert?

Heute gibt es mehr Helfer als damals. Auch die heutigen Ausbildungsstandards gab es noch nicht. Aktuell trennt man auch die Betreuung von Einsatzkräften und Betroffenen, das hat sich bewährt. Es gibt heutzutage auch Ehrenamtliche, die anderweitig kirchlich aktiv sind. Und heute beschäftigt sich auch der Staat mit dieser psychosozialen Notfallversorgung und schafft neue Rahmenbedingungen.

Wer hilft im Zweifelsfall dem Notfallseelsorger selbst, wenn es zu belastend würde?

Wir haben Supervision im Team. Dazu gibt es regelmäßige Treffen. Auch das Telefon ist eine mögliche Hilfe. Theoretisch kann man aber auch vor Ort einen Kollegen bitten, zu übernehmen, wenn es zu heftig wird.

Als Pfarrer ist man mit Trauer und Tod ständig befasst. Dazu kommen die besonderen Situationen in der Notfallseelsorge. Was hilft dabei, negative Gefühle nicht Überhand nehmen zu lassen?

Da wird für mich die Hoffnung auf den auferstandenen Christus wichtig. Und wenn ich aufs Kreuz schaue – da hat einer mit uns das Leben und die tiefsten Tiefen geteilt. Es gibt Gottferne und Sinnlosigkeit und trotzdem: Ich habe dann noch was, wo ich hin kann.

In 25 Jahren gibt es aber sicher auch positive Erlebnisse bei Einsätzen.

Vor Jahren ist mal ein Ehemann gegen einen Baum gefahren. Ein halbes Jahr später konnte die Ehefrau des Opfers bereits wieder lachen. Da weiß man dann, dass alle Beteiligten gut zusammengearbeitet haben. Aber oft genug kriegen wir Notfallseelsorger gar nicht mit, ob unsere Intervention positiv verlaufen ist. Manchmal ruft aber auch wer an und gibt Rückmeldung.

Wann ist Schluss? Wann sollte man als Notfallseelsorger besser aufhören?

Wenn die Liebe zu den Menschen aufgehört hat und die Nerven nicht mehr mitmachen oder man nur noch funktioniert, dann werde ich aufhören.

Gibt es einen Wunsch fürdie Zukunft bezüglich Arbeit oder zur Unterstützung?

Ich wünsche mir, dass sich der eine oder die andere Ehrenamtliche findet, um die Ausbildung in der Notfallseelsorge zu machen, um dann für ein paar Jahre oder länger in unserem ökumenischen Team mitzuarbeiten und sich zu engagieren. Wir freuen uns auch über Spenden für unsere Arbeit und das Gebet.

INTERVIEW: KARLHEINZ RIEGER